Obergäriges – Berliner Weisse mit Holunder

26. Jul 2016

Wir stehen auf gut gebrautes Bier. Deshalb steht auch nicht wenig davon auf unserer Bierkarte im Nobelhart & Schmutzig. Hauptsache lokal. Zum Beispiel Berliner Weiße. Am besten hell und sauer.

Lange war Sauerbier in Deutschland kein Thema. Doch der Bedarf an diesem Ergebnis des Brauhandwerks wächst wieder. Der Auslöser dafür ist eine zunehmende Bier-Distress. Und das hundertste, überhopfte Indian Pale Ale im Glas. Trinker wünschen sich ein Bier, das auf hohem Niveau komponiert und nicht in riesigen Industriebrauereien abgefüllt wird. Keine 08/15 Jauche, sondern ein Bier, von dessen Brauer der Trinker das Gesicht kennt.

Eine Weisse-Projekt mit Ulrike Genz von der Brauerei „Schneeeule“

Zum 3. Berliner-Weiße-Gipfel im März 2016 hat Ulrike Genz von der Brauerei “Schneeeule” zusammen mit Andreas Bogk die Gipfelweiße gebraut. “Billy war dort, hat sie probiert und fand sie klasse”, erzählt Ulrike. “Weil wir von der Gipfelweißen aber nicht so viel hatten, haben wir uns überlegt, für Billy etwas ganz Spezielles zu brauen.” Aus ihrer Zeit als Hobbybrauerin kam Ulrike dann mit nem hefetrüben Experiment um die Ecke. Die Idee: Sauerbier mit Blüten, Sauerbier mit Beeren. Kurz: Berliner Weiße mit Holunder.

Brauerei Schneeeule-Holunderblueten vergaerenKein Mensch braucht Hugo, aber Berliner Weisse mit Holunderblüte

Die erste Holunder Weiße machen wir mit Holunderblüten. Die Blüten werden verlesen, zur erkalteten Würze gegeben und mitvergoren. Ulrikes Hotspot zum Blütensammeln: der Tegeler See.

Sechs Wochen später ist das Bier fertig. Allein der Geruch ist jede Stunde warten wert. Die Weiße hat was von Weißwein. Aber nur so viel, dass man sie zu klassischen Weißwein-Gerichten wie Fisch, Huhn oder Spargel trinken kann. Am Ende bleibt sie ein Bier. Gibt man diesem nochmal sechs Monate, dann wird die Weizen-Gerstenmischung richtig geil. Dann hat die Weiße einen knackigen Champagnercharakter.

Der Herbst: Nur mit Berliner Weisse mit Holunderbeerensaft

Brauerei Schneeeule GaervorgangWeiße Nummer zwei brauen wir im September. Aus den Beeren des Holunders stellen wir Muttersaft her, der dann zur Würze kommt. Diese Weiße hat eine rötliche Farbe und entwickelt Rotwein ähnliche Aromen. Sie schmeckt beerig, fruchtig, fast wie ein Rosé. Perfekt zu kräftigem Fleisch.

Es muss also nicht immer Wein sein. Auch Bier kann viel. Im Nobelhart&Schmutzig braucht es keine Konventionen beim Getränkeausschank. Wir servieren das, was passt. Das Getränk muss Sinn machen, zum Gang und Gast passen. Ein Bier tut das öfter, als gedacht. Ein Wein kann das nicht immer leisten.

Sauer macht lustig und betrunken

Brauerei Schneeeule Ulrike GenzFrüher, vor etwa 500 Jahren, war Berliner Weiße ein saures Bier. Entstanden in der Dunkelheit der dreckigen Keller der Brauereien. Damals wusste der Brauer nichts von der Wirkung der Hefe. Dass diese den Zucker auffrisst und ihn so in Alkohol verwandelt. Was man wusste war, dass in den Fässern süßer Saft entsteht und wenn es gärt zu Zucker abgebaut wird. Und dass es betrunken macht. Also haben sich die Menschen mit Weißbier in den Rausch getrunken. Bis dann Mitte des 19. Jahrhunderts die Kühlung erfunden wurde, das untergärige Pils ganzjährig gebraut werden konnte und schwer in Mode kam.

In den letzten Jahrzehnten war die Berliner Weiße fast ausgestorben. So sehr, dass die Slow Food Stiftung sie 2014 zum bedrohten kulinarischen Welterbe kürte. Doch was sich heute herausnimmt, sich Berliner Weiße zu nennen, hat mit dem ursprünglichen Sauerbier nichts mehr zu tun. Allein schon, weil es plötzlich „hip“ ist, sie mit Sirup zu mischen. Nur wenige Brauereien in und um Berlin stellen heute noch echtes Sauerbier her, mit Brettanomyces-Hefe (für Unwissende: Das ist eine Nachgärhefe). So, wie es sich für eine wahre Weiße gehört.

Zu der Hefe, die Ulrike für ihre Weiße verwendet, gibts eine Geschichte: Im Keller der Weißebrauerei Willner in Berlin-Pankow hat man mal eine alte Flasche Berliner Weiße gefunden (nochmal für Unwissende: Weiße kann man auch nach 40 Jahren noch trinken.) Aus ihr hat man die Hefe isoliert und wiederbelebt, gezüchtet und wachsen lassen. Viele Weiße sind so sauer, dass es einem die Schuhe auszieht. Ulrikes Weiße nicht. Die ist schön fruchtig und spritzig, auch ohne Sirup. Ein richtig geiles Sommergetränk und für jeden, der mal was anderes außer IPA oder Pils trinken mag.

Obergäriges – Berliner Weisse mit Holunder

26. Jul 2016

Wir stehen auf gut gebrautes Bier. Deshalb steht auch nicht wenig davon auf unserer Bierkarte im Nobelhart & Schmutzig. Hauptsache lokal. Zum Beispiel Berliner Weiße. Am besten hell und sauer.

Lange war Sauerbier in Deutschland kein Thema. Doch der Bedarf an diesem Ergebnis des Brauhandwerks wächst wieder. Der Auslöser dafür ist eine zunehmende Bier-Distress. Und das hundertste, überhopfte Indian Pale Ale im Glas. Trinker wünschen sich ein Bier, das auf hohem Niveau komponiert und nicht in riesigen Industriebrauereien abgefüllt wird. Keine 08/15 Jauche, sondern ein Bier, von dessen Brauer der Trinker das Gesicht kennt.

Eine Weisse-Projekt mit Ulrike Genz von der Brauerei „Schneeeule“

Zum 3. Berliner-Weiße-Gipfel im März 2016 hat Ulrike Genz von der Brauerei “Schneeeule” zusammen mit Andreas Bogk die Gipfelweiße gebraut. “Billy war dort, hat sie probiert und fand sie klasse”, erzählt Ulrike. “Weil wir von der Gipfelweißen aber nicht so viel hatten, haben wir uns überlegt, für Billy etwas ganz Spezielles zu brauen.” Aus ihrer Zeit als Hobbybrauerin kam Ulrike dann mit nem hefetrüben Experiment um die Ecke. Die Idee: Sauerbier mit Blüten, Sauerbier mit Beeren. Kurz: Berliner Weiße mit Holunder.

Brauerei Schneeeule-Holunderblueten vergaerenKein Mensch braucht Hugo, aber Berliner Weisse mit Holunderblüte

Die erste Holunder Weiße machen wir mit Holunderblüten. Die Blüten werden verlesen, zur erkalteten Würze gegeben und mitvergoren. Ulrikes Hotspot zum Blütensammeln: der Tegeler See.

Sechs Wochen später ist das Bier fertig. Allein der Geruch ist jede Stunde warten wert. Die Weiße hat was von Weißwein. Aber nur so viel, dass man sie zu klassischen Weißwein-Gerichten wie Fisch, Huhn oder Spargel trinken kann. Am Ende bleibt sie ein Bier. Gibt man diesem nochmal sechs Monate, dann wird die Weizen-Gerstenmischung richtig geil. Dann hat die Weiße einen knackigen Champagnercharakter.

Der Herbst: Nur mit Berliner Weisse mit Holunderbeerensaft

Brauerei Schneeeule GaervorgangWeiße Nummer zwei brauen wir im September. Aus den Beeren des Holunders stellen wir Muttersaft her, der dann zur Würze kommt. Diese Weiße hat eine rötliche Farbe und entwickelt Rotwein ähnliche Aromen. Sie schmeckt beerig, fruchtig, fast wie ein Rosé. Perfekt zu kräftigem Fleisch.

Es muss also nicht immer Wein sein. Auch Bier kann viel. Im Nobelhart&Schmutzig braucht es keine Konventionen beim Getränkeausschank. Wir servieren das, was passt. Das Getränk muss Sinn machen, zum Gang und Gast passen. Ein Bier tut das öfter, als gedacht. Ein Wein kann das nicht immer leisten.

Sauer macht lustig und betrunken

Brauerei Schneeeule Ulrike GenzFrüher, vor etwa 500 Jahren, war Berliner Weiße ein saures Bier. Entstanden in der Dunkelheit der dreckigen Keller der Brauereien. Damals wusste der Brauer nichts von der Wirkung der Hefe. Dass diese den Zucker auffrisst und ihn so in Alkohol verwandelt. Was man wusste war, dass in den Fässern süßer Saft entsteht und wenn es gärt zu Zucker abgebaut wird. Und dass es betrunken macht. Also haben sich die Menschen mit Weißbier in den Rausch getrunken. Bis dann Mitte des 19. Jahrhunderts die Kühlung erfunden wurde, das untergärige Pils ganzjährig gebraut werden konnte und schwer in Mode kam.

In den letzten Jahrzehnten war die Berliner Weiße fast ausgestorben. So sehr, dass die Slow Food Stiftung sie 2014 zum bedrohten kulinarischen Welterbe kürte. Doch was sich heute herausnimmt, sich Berliner Weiße zu nennen, hat mit dem ursprünglichen Sauerbier nichts mehr zu tun. Allein schon, weil es plötzlich „hip“ ist, sie mit Sirup zu mischen. Nur wenige Brauereien in und um Berlin stellen heute noch echtes Sauerbier her, mit Brettanomyces-Hefe (für Unwissende: Das ist eine Nachgärhefe). So, wie es sich für eine wahre Weiße gehört.

Zu der Hefe, die Ulrike für ihre Weiße verwendet, gibts eine Geschichte: Im Keller der Weißebrauerei Willner in Berlin-Pankow hat man mal eine alte Flasche Berliner Weiße gefunden (nochmal für Unwissende: Weiße kann man auch nach 40 Jahren noch trinken.) Aus ihr hat man die Hefe isoliert und wiederbelebt, gezüchtet und wachsen lassen. Viele Weiße sind so sauer, dass es einem die Schuhe auszieht. Ulrikes Weiße nicht. Die ist schön fruchtig und spritzig, auch ohne Sirup. Ein richtig geiles Sommergetränk und für jeden, der mal was anderes außer IPA oder Pils trinken mag.